«Ich wollte wissen, ob ich Angst haben muss oder nicht.»
Das SolidarMed-Team in Sambia hat eine neue Leitung: Kupela Clarke trat im Februar die Nachfolge von John Tierney an. Ihre Mission: Das Gesundheitssystem durch strategische Partnerschaften stärken und nachhaltige Veränderungen bewirken.
Kupela Clarke, was motiviert Sie, für SolidarMed zu arbeiten?
Ich bin zu SolidarMed gekommen, weil es meiner Leidenschaft entspricht, das sambische Gesundheitssystem zu unterstützen. Wir solidarisieren uns mit Gesundheitsfachkräften und Gemeinschaften, die in schwierigen Verhältnissen arbeiten und leben. Gemeinsam mit der Regierung analysieren wir die Ursachen für den Mangel an medizinischem Fachpersonal in ländlichen Gebieten und setzen uns für Verbesserungen ein. Auf diese Weise arbeitet SolidarMed ganzheitlich, was mich sehr motiviert.
Sie wollten Medizin studieren. Wurden Sie von Ihrer Familie dazu inspiriert?
Nein, meine Eltern waren Lehrpersonen (lacht)! Als ich fünf Jahre alt war, hatte meine Freundin eine Ohrenentzündung. Ich wollte unbedingt ihre Schmerzen lindern und sie heilen. Mit zehn Jahren erlebte ich dann den Ebola-Ausbruch im Kongo an der Grenze zu Sambia, der mich traumatisierte. Ich begann zu denken, dass ich als Ärztin zu vielen Verbesserungen beitragen könnte.
Welche Fragen trieben Sie an?
Ich wollte Mikroben verstehen und wollte wissen, ob ich Angst haben muss oder nicht. Sind es Bazillen, die uns krank machen? Kann unser Gesundheitssystem Katastrophen bei Ausbrüchen verhindern? Ich sehnte mich nach Antworten: Die medizinische Enzyklopädie schien damals meine Neugier zu stillen und meine Hypochondrie zu lindern.
Ebola hat Sie traumatisiert, sagen Sie. Wie hat sich das geäussert?
Ich war überzeugt, dass die Ebola-Epidemie auch Sambia erreichen würde und wir alle sterben würden. Von klein auf wusste ich, dass die sambischen Spitäler durch die Armut kaputt waren und uns nicht schützen konnten. Ich studierte Humangenetik und medizinische Biochemie an der Universität von Kapstadt, wo ich in der HIV-Forschung arbeitete und erkannte, dass Sambias Gesundheitsprobleme nicht nur medizinischer, sondern auch politischer Natur sind. In Sambia gibt es keine Labors und Forschungsteams, die ausreichend ausgestattet sind, um meine Karriere zu fördern. Das ist bis heute so geblieben. Dies veranlasste mich, einen Master-Abschluss in Afrikastudien und dann in Public Health an der Universität Oxford zu machen.
Eine weitere Krankheit, die bei Ihnen Spuren hinterlassen hat, ist HIV.
Ja, in den 1980er Jahren, reagierte die sambische Regierung nur langsam auf HIV. Infolgedessen wurden die Infektionsketten nicht verfolgt und jahrelang keine Aufklärungskampagnen durchgeführt, bis sich die Krankheit weit verbreitet hatte. Erst als der Sohn des Präsidenten an HIV erkrankte und später daran starb, wurde es zur gesundheitspolitischen Priorität. In den 1990ern hatte Sambia nicht nur mit HIV zu kämpfen, sondern sah sich auch mit grossen ökonomischen Herausforderungen konfrontiert. Die Weltmarktpreise für Kupfer fielen, Sambias Wirtschaft brach ein, was zu Massenentlassungen führte und die Armut in die Höhe schnellen liess. Cholera brach aus, die Menschen hungerten und politische Unruhen führten zu einem Regimewechsel. In den 2000er Jahren arbeitete ich in HIV-Hilfsprogrammen im öffentlichen Gesundheitswesen, um Kinder aufzuspüren, die lebensrettende HIV-Behandlungsprogramme abgebrochen hatten.
Worum ging es dabei?
Unser Team wollte herausfinden, warum es in unserem HIV-Hilfsprogramm so viele Kinder gab, die nicht mehr zur antiretroviralen Behandlung in die Gesundheitseinrichtung kamen. Ich erinnere mich an ein Baby, das in Lusaka bei seiner Grossmutter lebte, weil seine Mutter verstorben war. Da sich die Frau weder Babynahrung noch Transport leisten konnte, bekam das Kind keine Medikamente. Es gab kein Programm für Grossmütter, deshalb wurde das Baby nicht behandelt. Ich fühle mich immer noch furchtbar und weiss nicht, was aus ihm geworden ist. Heute setze ich mich dafür ein, dass solche Lücken geschlossen werden.
Sie sind jetzt Landesdirektorin in Sambia. Was werden Sie als erstes in Angriff nehmen?
Unsere Programme konzentrieren sich auf den Ausbau von Gesundheitsressourcen – sprich Gesundheitspersonal. Zudem müssen wir uns stärker mit psychischer Gesundheit auseinandersetzen, insbesondere bei Jugendlichen, wo wir einen Anstieg von Drogenkonsum und Selbstmorden beobachten. Zudem werden wir uns mit den Auswirkungen des Klimawandels befassen müssen. Mein Ziel ist es, unsere Arbeit stets so anzupassen, dass sie den sich ändernden Bedürfnissen der von uns unterstützten Gemeinschaften gerecht wird.
Woher nehmen Sie die Energie für Ihr Engagement?
Armut ist wie Fieber. Fieber kann viele Ursachen haben, genau wie Armut. Mir ist es wichtig, mich nicht von Negativität lähmen zu lassen und Möglichkeiten und Massnahmen von sambischen Partnern zu finden, die die Ursachen der Armut angehen. Es braucht eine Verbindung zum Leid anderer, um uns zu motivieren, und Forschung, um die beste Vorgehensweise für unsere Programme zu finden, die so skaliert werden können, dass sie dauerhafte und sinnvolle Veränderungen bewirken.
Kupela Clarke
Die 40-jährige Tochter einer sambischen Mutter und eines britischen Vaters wurde in Lusaka, der Hauptstadt von Sambia, geboren und hat drei Geschwister. Nach ihrem Bachelor-Abschluss in Humangenetik und medizinischer Biochemie an der Universität von Kapstadt in Südafrika erwarb sie als Rhodes-Stipendiatin einen Master-Abschluss in Afrikastudien und einen Master-Abschluss in globalen Gesundheitsstudien an der Universität von Oxford in England. Die dreifache Mutter versucht, in ihrer knappen Freizeit regelmässig zu joggen, liest gerne und hört Podcasts. Die Familie hat ausserdem einen Dackel namens Vienna und eine Katze namens Misty.