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05.06.2024

Aus der Region, für die Region

Geschulte Freiwillige schlagen in Mosambik die Brücke zwischen der Bevölkerung und dem Gesundheitssystem. Mit ihrem Vertrauensvorsprung gelingt es ihnen, die Menschen für Hygienemassnahmen zu sensibilisieren und so die Ausbreitung der Cholera einzudämmen.

Gilda Alves erklärt der Dorfbevölkerung, wie sie ihre Hände waschen sollen, um eine weitere Ausbreitung der Cholera in Mosambik zu verhindern

«Im heutigen Gespräch habe ich gelernt, meine Hände gründlich mit Wasser und Seife zu waschen. Wenn ich keine Seife habe, kann ich Asche benutzen», erzählt Rosalina Salimane. Die 60jährige lebt in Metora, einer Stadt in der Provinz Cabo Delgado im Nordosten von Mosambik. Das Gespräch hatte sie mit einem der geschulten Freiwilligen, die im aktuellen Cholera-Projekt von SolidarMed von Haus zu Haus gehen und die Menschen über Hygienemassnahmen aufklären, die den neuen Choleraausbruch seit Dezember 2023 eindämmen können. Sie weiss auch, dass sich Menschen mit Durchfall in ein Gesundheitszentrum begeben sollen.

Auch Casimiro Sanli hat Besuch von einem Freiwilligen bekommen: «Heute haben sie mir erklärt, wie man das Wasser mit Certeza, dem Desinfektionsmittel, behandelt, wie ich meine Hände gut mit Seife wasche. Ausserdem hat er mir gezeigt, wie ich die Grube öffne, um den Müll hineinzuwerfen und wie man die Latrine abdeckt.» Schon öfter sei er bei den Vorträgen der Freiwilligen gewesen, denn er finde es sehr wichtig, dass die Menschen wissen, wie man Durchfallerkrankungen vermeidet. «Und viele verstehen das immer noch nicht sehr gut», bedauert er. So habe es in seiner Nachbarschaft Fälle von Cholera gegeben, aufgrund deren Leute im Krankenhaus behandelt werden mussten.

Rosalina Salimane (rosa Bluse) hört dem geschulten Freiwilligen André Paia (rechts) zu, der erklärt, wie sie sich die Hände waschen soll.

André Paia ist stolz auf seine Arbeit als Freiwilliger.

Assane Marcelo arbeitet als Freiwilliger, um den Menschen zu helfen.

Der 26-jährige André Paia wohnt in der gleichen Gegend wie Rosalina Salilmane und Casimiro Sanli und gehört zu den geschulten Freiwilligen. «Dass ich nicht für ein Unternehmen arbeite, hat mich tatsächlich motiviert, mich einzusetzen. Ich kämpfe für das Wohlergehen der Gemeinschaft», erläutert er sein Engagement. Der junge Mann ist bereits seit Januar im Einsatz. «Durch die Informationen, die die Menschen von mir bekamen, wussten sie, dass sie Krankenhaus musste, damit sie behandelt werden konnten», betont er. André Paia hält Vorträge zu Hygienepraktiken und verteilt, wenn er kann, Material wie Handwasch- oder Wasserdesinfektionsmittel. Auch wenn nicht alle Menschen, mit denen er spricht, seine Tipps umsetzen möchten, ist er stolz auf seine Arbeit: «Ich bin sehr glücklich, dass ich einen Beitrag zur Verbesserung der Gemeinschaft leisten kann.»

« Wir bringen den Leuten bei, ihre Häuser zu reinigen und das Geschirr, ihre Hände oder auch das Obst gut zu waschen. »

Assane Marcelo, geschulter Freiwilliger

Skepsis oder gar Misstrauen gegenüber Behörden gibt es auch in der Schweiz, zuletzt wurde das während der Covid-19-Pandemie deutlich. SolidarMed arbeitet im aktuellen Cholera-Projekt in Mosambik mit der lokalen Organisation Wiwanana zusammen. Sie sind von der Methode der geschulten Freiwilligen, die die Bevölkerung sensibilisieren, überzeugt. Die Freiwilligen fungieren als Brückenbauer zwischen den Dorfgemeinschaften und den Gesundheitsbehörden. Gerade ihr lokales Wissen und ihre Beziehungen ermöglicht es ihnen, Vertrauen aufzubauen und die Eigenverantwortung der Bevölkerung zu stärken. Sie sind deshalb ein wichtiger Bestandteil des Gesundheitssystems und tragen massgeblich zur erfolgreichen Eindämmung des Cholera-Ausbruchs bei.
 

Cholera

Gemäss Weltgesundheitsorganisation (WHO) ist Cholera eine akute Durchfallerkrankung, die innert weniger Stunden zum Tod führen kann, wenn sie nicht behandelt wird. Die Krankheit betrifft vor allem Menschen mit unzureichendem Zugang zu sauberem Wasser und genügend hygienischen sanitären Einrichtungen, denn sie wird durch kontaminierte Lebensmittel oder Wasser übertragen. Die WHO schätzt, dass sich jährlich bis zu vier Millionen Menschen mit Cholera anstecken, wovon 143 000 sterben. Leichte Fälle können mit einer Trinklösung behandelt werden, Schwerbetroffene benötigen Flüssigkeit intravenös und Antibiotika. 
Cholera kam ursprünglich aus dem Ganges-Delta in Indien und verbreitete sich im 19. Jahrhundert über die ganze Welt. In den ersten sechs Pandemien starben Millionen von Betroffenen. 1961 begann die aktuelle, siebte Pandemie. Auch die Schweiz wurde Mitte des 19. Jahrhunderts von Cholera heimgesucht. Durch die Verbesserung der sanitären Hygiene in den Städten Ende des Jahrhunderts konnte die Krankheit kontrolliert werden. 

«In unseren Projekten möchten wir ja unter anderem eine Verhaltensveränderung bei der Bevölkerung bewirken. Das ist unmöglich, wenn man nicht erst mit den Dorfgemeinschaften spricht. Die Menschen müssen zum Beispiel mitbekommen, dass ein Spital besser ausgerüstet wurde oder neue Dienstleistungen anbietet», erklärt Ilse van Roy, Leiterin Programme bei SolidarMed. So werden etwa die Dorfbevölkerungen in den Projektregionen in Lesotho oder Tansania zum Voraus informiert, wann die mobile Klinik im Dorf sein wird, so dass sie die Gelegenheit nutzen können. «In Mosambik ist die Zusammenarbeit mit Wiwanana deshalb so wichtig: Die lokale Bevölkerung misstraut den Behörden. Da die Freiwilligen aus der gleichen Gegend kommen, den Kontext und die Sprache kennen, vertrauen ihnen die Menschen», erläutert die Programmleiterin.

«Menschen können Informationen, die sie weitergeben, falsch verstehen und interpretieren. Deshalb spielen wir eine sehr wichtige Rolle in der Dorfgemeinschaft»

André Paia, geschulter Freiwilliger

Wie wichtig der Beitrag der geschulten Freiwilligen ist, zeigt auch Gilda Alves auf. Die 32-Jährige beobachtet Verbesserungen in ihrer Gemeinde: «Wir haben viel verändert. Früher gab es Leute, die keine Latrine hatten, jetzt haben sie eine. Es gibt jetzt Mülldeponien, Handwaschanlagen und die Menschen benützen jetzt das Wasserdesinfektionsmittel.» Sie litt 2019 selbst an Cholera und musste im Spital behandelt werden. Nun kann sie Betroffenen helfen. «Ich ging zur Mutter eines kranken Kindes und riet ihr, ins Gesundheitszentrum zu gehen», erzählt sie. Doch damit das Kind unterwegs versorgt werden kann, musste die Mutter erst Wasser abkochen, einen Löffel Zucker und ein wenig Salz hinzugeben. «Wenn das Kind unterwegs Durchfall bekommt, muss man ihm vom Wasser geben. Jetzt ist das Kind gesund», freut sich Gilda Alves.

Gilda Alves litt schon selbst an Cholera und weiss deshalb, wovon sie spricht.

Geschulte Freiwillige schlagen in Mosambik die Brücke zwischen der Bevölkerung und dem Gesundheitssystem.

Assane Marcelo ist zufrieden mit den Rückmeldungen der Bevölkerung. «Wir bringen den Leuten bei, ihre Häuser zu reinigen, das Geschirr, ihre Hände oder auch das Obst gut zu waschen», zählt der 30-jährige Freiwillige auf. Er mache die Arbeit, damit es den Menschen besser gehe. «Die Menschen verstehen, dass ich ihnen Informationen gebe, die für ihre Gesundheit wichtig sind», ist er überzeugt. Dass auch er mit Cholera im Spital behandelt werden musste, mag im Gespräch mit der Bevölkerung helfen, um Vertrauen zu schaffen. Denn, so der engagierte Bürger André Paia, das Hauptproblem in der Gemeinde sei die Fehlinformation. «Menschen können Informationen, die sie weitergeben, falsch verstehen und interpretieren. Deshalb spielen wir eine sehr wichtige Rolle in der Dorfgemeinschaft», betont er. Damit er auch in Zukunft die Bevölkerung dabei unterstützen kann, gesund zu bleiben, wünscht er sich, dass SolidarMed immer genügend Hygienematerial zur Verfügung stellen kann, damit Cholera und anderen Krankheiten, die sich aufgrund schlechter Hygiene verbreiten, eingedämmt werden können.

Geflohene müssen erneut fliehen

Mosambik, das südostafrikanische Land, kommt nicht zur Ruhe. Seit 2017 schwelen Konflikte, die Mitte 2020 eskalierten. Damals sind über eine halbe Million Menschen geflohen.